Aus Anlegersicht wird das Jahr 2020 noch lange nachhallen: Zuerst steigen viele Aktienkurse auf ihr Allzeithoch, um dann erdrutschartig mit dem Ausbruch des Coronavirus einzubrechen. Und jetzt? Von Robert Steininger*
Die Kurse haben sich zwar mittlerweile überwiegend zumindest stabilisiert und teilweise auch etwas erholt, dennoch sind viele Anleger lieber vorsichtig und suchen sich sogenannte sichere Häfen wie Gold oder auch Staatsanleihen wie US-Bonds.
Bei den Anleihen weht den Anlegern derzeit jedoch ein frischer Wind entgegen. Mit den Zinsen für deutsche oder US-Staatsanleihen lässt sich schon jetzt kaum noch Geld verdienen. Zuletzt lag der Zinssatz für eine 10-jährige deutsche Bundesanleihe bei 0,007%, die von 10-jährigen US Bonds bei 0,61%. Nach der letzten Zinssenkung der Federal Reserve im Februar waren erwartungsgemäß die Kurse der bereits emittierten Anleihen angestiegen.
Problematisch sind vor allem zwei Faktoren. Zum einen wird der Markt derzeit regelrecht mit neuen Anleihen geflutet. Zum anderen deuten sich weitere Zinsschritte der Zentralbanken nach unten an.
Immer mehr neue Anleihen für Konjunkturpakete in der Coronakrise
Der Markt wird gerade mit neuen Staatsanleihen geradezu überschwemmt, um die Wirtschaft angesichts der Auswirkungen der Coronakrise mit immer neuen Konjunkturpaketen zu schützen. Die Federal Reserve in den USA und die Europäische Zentralbank haben daher Ankaufsprogramme mit einem erheblichen Ausmaß beschlossen.
Allein in Europa werden Anlehen über das Pandemic Emergency Purchasing Program (PEPP) für voraussichtlich 1,1 Bio. EUR (1.100 Mrd. EUR) Anleihen der verschiedenen europäischen Staaten aufgekauft, um die Nachfrage hochzuhalten. Es ist wirkt ein wenig wie im Casino mit schneller Auszahlung: Staaten gehen im Zweifel immer höher ins Risiko, um schnell an Geld zu kommen, um Konjunkturmaßnahmen finanzieren zu können.
Das Problem ist, dass diese Ankaufsprogramme befristet sind und auch sein müssen. Da die Anleihen jedoch zum Zeitpunkt der Rückzahlung zu einem großen Teil auch durch neue Anleihen refinanziert werden müssen, wird es nicht unwahrscheinlich, dass es zukünftig nicht mehr genügend Nachfrage außerhalb der Zentralbanken nach den neuen Staatsanleihen geben könnte. Der Knackpunkt dabei ist schlichtweg das Volumen. Allein der US-Bond-Markt hat bereits ein Volumen von fast 12 Bio. USD.
Verstärkend hinzu kommt, dass in Zukunft weitere Konjunkturprogramme aufgelegt werden müssen. Sehe man sich nur einmal die rasant auf mittlerweile 20 Mio. gestiegene Zahl der Arbeitslosen in den USA an. Die unterschwelligen Ängste diesbezüglich bei den Gläubigern könnten zu einer Abwertung der Anleihen führen, weil für neue Anleihen später immer höhere Zinsen gezahlt werden müssten. Die erwarteten weiteren Zinssenkungen der Zentralbanken helfen da nicht.
Allgemeiner Zusammenhang zwischen Zinsänderungen und Kursen von Anleihen
In normalen Zeiten gelten Anleihen solventer Staaten und Unternehmen als sichere Geldanlage. Der Handel mit bestehenden Anleihen dagegen ist schon etwas anders. Änderungen des Marktzinssatzes haben in der Regel immer Kursausschläge zur Folge. Auch die Restlaufzeit einer Anleihe und die Bonität des Emittenten spielen eine wesentliche Rolle.
Angenommen ein Anleger investiert 10.000 EUR in eine fiktive Anleihe über 10 Jahre, die einen Zinskupon von 4% jährlich besitzt. Der Kurs der Anleihe beträgt anfänglich 100%. Gleichzeitig wird ein Marktzins von 2% unterstellt. Das bedeutet, dass die Anleihe über zehn Jahre eine Zinszahlung von 400 EUR, insgesamt also 4.000 EUR verspricht. Das sind 2.000 EUR mehr, als mit einer Vergleichsanlage zum Marktzins erzielt werden könnte.
Dementsprechend pendelt sich nun auch die Nachfrage nach dieser Anleihe ein. Steigt der Marktzins nun, weil die Zentralbank eine entsprechende Zinsanpassung nach oben vorgenommen hat, wird die Anlage weniger attraktiv, weil die Differenz zwischen dem Zinssatz für die Anleihe und dem Marktzins sinkt, und im Vergleich nun weniger Gewinn gegenüber Anlagen zum Marktzins verdient werden kann. Außerdem werden neu begebene Anleihen von nun an mit einem höheren Zinskupon ausgestattet. Der Kurs sinkt somit entsprechend der nun geringer ausfallenden Nachfrage.
Senkt die Zentralbank die Zinsen dagegen, wird die Anleihe für Anleger attraktiver, weil die Differenz zum Marktzins nun höher ausfällt und somit gegenüber einer Anlage zum Marktzins entsprechend mehr Gewinn erzielt werden kann. Die Nachfrage nach der Anlage und damit auch der Kurs der Anlage steigen. Die Intensität der Kursausschläge nach oben oder unten ist jedoch von der Restlaufzeit der Anleihe abhängig.
Der Grund ist, dass mit einer kurzen Restlaufzeit entsprechend weniger Zinszahlungen zu erwarten sind als mit einer langen Restlaufzeit. Der zusätzliche Gewinn gegenüber der Anlage zum Marktzins fällt bei kurzlaufenden Anleihen daher geringer aus, was sich auch auf die Nachfrage auswirkt, die dann zumindest theoretisch geringer wird.
Für einen Anleger, der sein Geld einfach nur sicher anlegen möchte und die zehn Jahre abwartet, ist ein steigender Marktzins nur dann ein echtes Problem, wenn zwischendurch die Inflation steigt und Gewinne durch den Anstieg der Teuerungsrate aufgezehrt werden. Wer dagegen Anleihen gekauft hat, um auf Zinsänderungen und entsprechende Kursausschläge zu spekulieren, wird es dann problematisch, wenn die erhoffte Marktzinsanpassung ausbleibt oder deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Auch die Bonität des Emittenten hat natürlich erheblichen Einfluss auf den Kurs. Stuft eine Rating-Agentur das Rating für ein Unternehmen oder auch für ein Land wie zuletzt für Italien herab, wird der Kurs sinken. Die Herabsetzung des Ratings muss zwar nicht unbedingt bedeuten, dass es weniger wahrscheinlich ist, dass die Anleihe zurückgezahlt wird, jedoch müssen für neue Anleihen höhere Zinsen gezahlt werden, um sie am Markt unterzubringen. Das bedeutet, dass die alte Anleihe vergleichsweise weniger attraktiv erscheint als neue Bonds.
*) Robert Steininger ist Spezialist für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online-Strategien, Investment-Strategien und Verhaltensanalyse.