Netfonds: „Dichter an den Endkunden ranrücken“

Finanzdienstleister Netfonds begibt eine Anleihe mit einem Zielvolumen von bis zu 30 Mio. EUR, Kupon 6,25 bis 7,0% p.a. BondGuide sprach zur Emission mit CFO Peer Reichelt.

BondGuide:  Herr Reichelt, zum Einstieg gern einige Worte zu Ihnen selbst – welchen Background besitzen Sie und welchen die Netfonds?
Reichelt: Die Firma wurde 1999/2000 gegründet. Mitgründer neben mir sind die Kollegen CEO Martin Steinmeyer und Karsten Dümmler, einer unserer heutigen Aufsichtsräte. Wir beschreiben uns als digitale Finanzabwicklungsplattform, seit 2001 spezialisiert auf B2B mit einem angeschlossenen Maklerpool. Von anfänglich 4–5 Leuten sind wir heute auf über 300 Mitarbeitende angewachsen. Wie in einem Startup üblich, hat jeder von uns damals so ein bisschen alles gemacht, später haben wir die Funktionen dann entsprechend aufgegleist. Mit der NFS als Haftungsdach mit BaFin-Lizenz sind wir heute der größte unabhängige Marktteilnehmer außerhalb der klassischen großen Versicherungen bzw. Bankkonzerne etc.

BondGuide: Und wem gehört die Netfonds?
Reichelt: Wir drei Co-Gründer zusammen mit unseren Familien und einige der Top Manager sind weiterhin die Hauptanteilseigner mit einem Anteil von rund 50%.

BondGuide: Vom Startup zur digitalen Firma mit Finanzdienstleistungen also. Vielleicht noch ein Wort zur Größeneinordnung.
Reichelt: Wir machen dieses Jahr Bruttoerlöse von 220 bis 230 Mio. EUR. Davon bleiben uns ca. 20% Rohertrag. Mit 12–15% im Durchschnitt der letzten 10 Jahre ist die jährliche Wachstumsrate außergewöhnlich konstant.

BondGuide: Wie komme ich als Privatanleger mit der Netfonds in Kontakt – sehe ich da Ihren Firmenauftritt im Hintergrund meiner Finanzanlagen überhaupt irgendwie?
Reichelt: Als B2B-Dienstleister sehen Sie uns hinter den Investmentberatern eher nicht. Aktuell haben wir etwa 560.000 Endkunden – aber bei denen stehen wir nicht im Schaufenster. Folker Hellmeyer ist unser Chefvolkswirt: Nach außen in Richtung Privatkunde mit Interesse am Kapitalmarkt ist er unser Sprachrohr mit seinen regelmäßigen TV-Auftritten, seinem Report usw. Folker ist ein Charakterkopf und mit seiner gewollten Reibung durch Meinungsstärke erzeugt er Energie. Praktisch kann man ihn nicht nicht kennen.

Charakterkopf Chefvolkswirt Folker Hellmeyer

BondGuide: Wie sind Sie durch die erste Hälfte der 20er Jahre mit ihren Krisen gekommen?
Reichelt: Von Anfang Covid-19 bis Mitte 2021 haben wir einen extremen Zulauf bei Privatanleger-Depots gesehen. Je nachdem, ob es aktiv gemanagte oder passive Depots sind, erhalten wir Servicegebühren. Uns interessiert also eher die Höhe der verwalteten Assets, nicht ob jemand häufig umschichtet. Mit den Kapitalmärkten auf Höchstständen sind wir derzeit ganz gut unterwegs. Natürlich haben auch wir die Inflation etwas gespürt, indem einige Mitarbeiter natürlich auch mal über ihr Gehalt sprechen wollten. In unserem kleineren Bereich, den Versicherungen, haben wir über steigende Prämien so etwas wie einen eingebauten Inflationsschutz. Und natürlich sind in dieser Phase auch die IT-Kosten kräftig gestiegen. Unseren laufenden Cashflow haben wir daher gezielt in die Technik investiert, um uns für die nächsten Jahre gut aufzustellen und eine hochmoderne, Cloud-basierte, skalierbare Plattform zu haben.

Hamburg, Heimat der Netfonds

BondGuide: Das Brot- und Butter-Geschäft ist der Maklerpool bei Finanzdienstleistungen?
Reichelt: Genau. Dies für sich ist aber nicht sehr margenstark. Also braucht man Volumen. In der eigenen Vermögensverwaltung hat man rund das Dreifache an Marge, daher steuert diese zwischenzeitlich schon ca. 30% unseres Rohertrages bei. Wir wachsen dort über 30% pro Jahr und daher ist das Portfoliomanagement unser Fokus, wo wir den größten Hebel sehen.

BondGuide: Was kann die Netfonds mit dem Emissionserlös der Anleiheplatzierung konkret unternehmen?
Reichelt: Es gibt immer wieder Kundenbestände und auch Investmentfonds von Vermögensverwaltern und Family Offices, die wir erwerben und in unseren Bestand übernehmen können. Da rechnet man so mit dem rund 3- bis 4,5-Fachen der jährlichen Nettoerlöse. Man zahlt praktisch eine Ablöse für die Übernahme der Depots. Viele Berater und Makler kommen halt so langsam ins Rentenalter und suchen eine Nachfolgelösung. Für uns ist die Rechnung so: Bisher bekommen wir 20% der Provision eines Maklers; übernehmen wir dessen Bestand, dann haben wir künftig auch die übrigen 80% im eigenen Hause. Wir möchten also sozusagen dichter an den Endkunden kommen. Allerdings nur, wenn das von den Beratern gewünscht ist. Unseren Kunden, den Beratern, machen wir keine Konkurrenz.

BondGuide: Angenommen, es käme doppelt so viel Zeichnungsvolumen zustande – könnte die Netfonds dann auch doppelt so viel umsetzen?
Reichelt: Nein, das glaube ich nicht. Das Risiko ist groß, dass man Kapital fehlallokiert, wenn man zu viel davon hat. Das Volumen muss auch zu unserer bisherigen Kapitalstruktur passen.

BondGuide: Wie gut kann der Finanzvorstand – also Sie! – mit dem Kupon leben?
Reichelt: Sehr gut. Natürlich haben wir auch Banklinien. Aber für jeden einzelnen Abschluss muss man sich mit der Bank auseinandersetzen. Das ist oftmals ziemlich zäh und dauert. Der Emissionserlös einer Anleihe würde uns weit schlagkräftiger machen, auch wenn wir dafür bis zu 7,0% Kupon in Kauf nehmen müssen.

Peer Reichelt, Netfonds

Peer Reichelt

BondGuide: Und was wäre das größte Schlüsselrisiko, das Ihren Geschäftserfolg gefährden könnte?
Reichelt: Für uns als IT-Unternehmen wäre das am ehesten ein Cyberangriff. Natürlich schützen wir uns maximal, aber 100% sind nie möglich. Als Vermögensverwalter kennen wir auch den Begriff ‚Fat Finger‘, wo also jemand eine oder mehrere Stellen zu viel oder eine Kauforder eingibt anstatt zu verkaufen und plötzlich passiert dann ein Schaden für den Kunden. Dafür gibt es immerhin Versicherungen, die wir auch haben, aber natürlich bleibt immer ein Restrisiko.
 
BondGuide: Herr Reichelt, ganz herzlichen Dank an Sie!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

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