DeepSeek hat eine Schockwelle an den amerikanischen Aktienmärkten ausgelöst. Tech-Aktien standen zum Teil unter enormem Verkaufsdruck. Von Dr. Jan Viebig*
Noch lässt sich nicht gesichert sagen, wie revolutionär das neue Modell von DeepSeek tatsächlich ist. Doch seine KI-Modelle R1 und V3 eröffnen die Perspektive, dass sich künstliche Intelligenz zu deutlich niedrigeren Kosten als bisher angenommen entwickeln lässt, dass KI viel rascher als bisher gedacht unseren Alltag verändert und dass selbst grundlegende Innovationen, wie sie OpenAI mit Chat GPT gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit Konkurrenz bekommen können.
Aus der Gefahr, die durch DeepSeek und andere Innovatoren für etablierte Tech-Konzerne erwächst, lassen sich aus unserer Sicht folgende Erkenntnisse für Anleger ableiten:
1. KI entwickelt sich viel schneller, als viele gedacht haben, und verändert Geschäftsmodelle radikaler als bisher angenommen. Gerade in solchen Marktphasen ist es für Anleger entscheidend, in den richtigen Titeln investiert zu sein und nicht auf den breiten Aktienmarkt oder eine ganze Branche zu setzen.
2. Marktphasen mit rasch aufeinanderfolgenden Innovationen zeigen die Kraft der schöpferischen Zerstörung, wie sie der Ökonom Joseph Schumpeter entdeckt hatte. Dabei dachten viele, dass die Markteintrittsbarrieren gerade in der Produktion hochkomplexer und ultraschneller Computerchips so hoch sind, dass Nvidia lange Zeit von einer geschützten Marktposition profitieren kann. Falls es sich bestätigt, dass DeepSeek ein sehr gutes Modell mit wesentlich niedrigeren Kosten trainieren konnte, dann würde der Markt für KI-Chips und Datenzentren vermutlich weniger stark wachsen als bisher angenommen. Dann kämen auch die Gewinnmargen des Halbleiterherstellers Nvidia unter Druck.
3. Anleger müssen sich darauf einstellen, dass die amerikanische Tech-Branche in den kommenden Jahren verstärkt Konkurrenz aus China bekommen und Chinas Gewicht im Weltmarkt der Tech-Branche steigen wird. Silicon Valley ist ein einzigartiges System aus Innovationskraft, Wissenstransfer von der Forschung in die Anwendung, Finanzierung und Marktmacht bei der Einführung von Innovationen gelungen. Das macht uns zuversichtlich, dass Nachrufe auf US-Tech verfrüht sind.
4. Der Kurssturz, den die Wall Street zu Beginn dieser Woche erlebt hat, zeigt, welche Risiken eine zu hohe Konzentration am Aktienmarkt birgt. Die berühmten Glorreichen Sieben – Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla – haben in der jüngsten Vergangenheit den amerikanischen Aktienmarkt so dominiert, dass sie mittlerweile ein Drittel der Marktkapitalisierung im S&P 500 und 45% im Nasdaq Composite ausmachen. Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung der Glorreichen Sieben in diesem Investmentjahr zurückgehen und die Konzentration am amerikanischen Aktienmarkt abnehmen wird. Das ist eine gute Nachricht für Aktienanleger. Eine Abnahme der Konzentration macht die Aufwärtsbewegung am Aktienmarkt stabiler.
5. Für Anleger eröffnet der rasche Fortschritt bei KI und Digitalisierung positive Perspektiven. Die Kosten selbst für grundlegende Innovationen könnten rasch sinken und so den Innovationsprozess noch weiter beschleunigen. Das Volumen in den Anwendungen wird unserer Meinung nach so rasch steigen, dass KI-Unternehmen sinkende Preise über eine starke Ausweitung der Absatzmöglichkeiten mehr als kompensieren können. KI und Digitalisierung kreieren nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern greifen auch tief in bestehende Geschäftsmodelle ein, machen manche obsolet und viele andere effizienter. Deutschland fällt bei der Nutzung der Künstlichen Intelligenz und anderen innovativen Ansätzen immer weiter zurück. Die Folge ist, dass die Produktivität und der Wohlstand in Deutschland langsamer wachsen als in anderen Regionen. […]
*) Prof. Dr. Jan Viebig ist Chief Investment Officer der ODDO BHF SE
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