
Transparenz zahlt sich aus: Wer sich frühzeitig und professionell um Investoren kümmert, hat nicht nur in der Krise bessere Erfolgsaussichten. Von Fabian Kirchmann und Jonas Schneider, IR.on AG
Unternehmen, die aktiv und transparent mit ihren Anleihegläubigern kommunizieren, können Krisen besser meistern, notwendige Quoren erreichen und durch einen konstruktiven Dialog tragfähige Lösungen entwickeln. Das ist besonders wichtig in einem Umfeld, in dem sich die Refinanzierungsbedingungen wieder verschärfen – unter anderem durch die handelspolitischen Spannungen.
Restrukturierungen von KMU-Anleihen haben in der Vergangenheit mit dazu beigetragen, dass der Markt immer wieder mit Reputationsschäden zu kämpfen hatte – teilweise zu Recht, wie etwa die jüngsten Ermittlungen und Anklagen rund um die Sympatex-Pleite zeigen. Das Misstrauen einiger Investoren ist dementsprechend groß, wenn eine sogenannte Anleihegläubigerversammlung im Raum steht, um etwa die Laufzeit einer Anleihe zu verlängern oder Zinsanpassungen vorzunehmen.
Offen auf die Anleihegläubiger zuzugehen, sollte das erste Gebot für Unternehmen sein, die eine Krise nicht als Gelegenheit betrachten, lästige Schulden loszuwerden, sondern gemeinsam mit ihren Stakeholdern tragfähige Konzepte erarbeiten wollen. Denn eines lehrt uns die Erfahrung aus zahlreichen Restrukturierungsprojekten: Der frühzeitige Austausch mit Anleihegläubigern und ein hohes Maß an Transparenz sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Wer aktiv mit seinen Investoren kommuniziert, hat größere Chancen, die notwendigen Quoren zu erreichen und durch einen konstruktiven Dialog Restrukturierungskonzepte zu erarbeiten, die Zustimmung finden.
KMU-Anleihemarkt kann sich Konjunktur- und Branchenkrisen nicht entziehen
Dies ist vor allem wichtig in einem KMU-Anleihemarkt, in dem sich das konjunkturell schwierige Marktumfeld und Branchenkrisen ebenso auswirken wie in der Gesamtwirtschaft. Das zeigen auch die von der IR.on AG regelmäßig durchgeführten Studien zum KMU-Anleihenmarkt. Zwar ging das im Bereich der KMU-Anleihen ausgefallene Volumen seit dem Höchststand im Jahr 2021 (ca. 340 Mio. EUR) kontinuierlich zurück auf zuletzt etwa 60 Mio. EUR im Jahr 2024. Allerdings blieb die Zahl der Restrukturierungsfälle auf hohem Niveau.
So wurden 2024 insgesamt zwölf Anleihen im Volumen von 338 Mio. EUR restrukturiert (2023: zehn Anleihen mit einem Volumen von 503 Mio. EUR). Vor dem Hintergrund geopolitischer Verwerfungen und multipler Krisen, zum Beispiel in der Immobilienbranche aufgrund höherer Finanzierungskosten, waren in vielen Fällen Verlängerungen der Laufzeit und Zinsanpassungen notwendig.
Auch künftig ist angesichts des anhaltend schwierigen Marktumfelds mit weiteren Herausforderungen zu rechnen. Zusätzlichen Druck übt insbesondere die protektionistische Handelspolitik der USA aus: Neue Strafzölle belasten globale Lieferketten, treiben die Risikoprämien und verschlechtern damit die Refinanzierungsbedingungen vieler Unternehmen – gerade im Mittelstand. In diesem Umfeld gewinnt der professionelle Dialog mit Anleihegläubigern nochmals an Bedeutung.
In diesen Krisensituationen ist es entscheidend, wie professionell Unternehmen mit den Herausforderungen umgehen. Ein transparent (kommuniziertes) Restrukturierungskonzept kann den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern ausmachen. Anleihegläubiger sollten nicht lediglich aus der Presse erfahren, dass sich ein Unternehmen in Schwierigkeiten befindet. Sie erwarten, frühzeitig und möglichst direkt informiert zu werden – mit klaren Fakten, nachvollziehbaren Analysen und ehrlichen Perspektiven.
Dabei ersetzt Investor Relations natürlich keine Sanierungsfähigkeit – aber sie ist der Schlüssel, um Akzeptanz für notwendige Maßnahmen zu schaffen. Sie ist damit ein strategischer Erfolgsfaktor. Investor Relations muss als Vermittler zwischen Unternehmen und Investoren agieren, Interessen ausgleichen und tragfähige Lösungen präsentieren. Dies erfordert neben fachlichem Know-how vor allem Empathie und Fingerspitzengefühl. Nur wer die Bedenken und Erwartungen der Investoren ernst nimmt und darauf eingeht, kann die notwendige Zustimmung für Sanierungspläne gewinnen.
Einmal verlorenes Vertrauen ist schwer zurückzugewinnen
Dabei ist es essenziell, sich einen umfassenden Überblick über die eigene Investorenbasis zu verschaffen. Unternehmen, die eine Anleihe emittieren und sich danach abgesehen von der Pflichtpublizität nicht weiter um einen Dialog mit ihren Gläubigern bemühen, haben es deutlich schwerer, im Krisenfall eine Restrukturierung erfolgreich zu meistern: Die Identifikation der Investoren ist ein mitunter mühsamer und zeitaufwendiger Prozess. Doch je mehr Gläubiger dem Emittenten bereits bekannt sind, desto höher sind die Chancen, die bei Anleiherestrukturierungen notwendigen Quoren zu erreichen.
Die Depotbanken geben zwar die Pflichtinformationen wie beispielsweise die Einladungen zu den Anleihegläubigerversammlungen an die Anleihegläubiger weiter, diese werden aber häufig ignoriert oder im Postfach des Online-Brokers übersehen. Deshalb gilt: Wer von Beginn an aktiv und direkt mit seinen Investoren kommuniziert, hat einen entscheidenden Startvorteil. Ein wichtiges Instrument ist die Anmeldemöglichkeit für einen Investorenverteiler über die Website der Emittenten. Dadurch kann der Dialog mit dem Anleger direkt geführt werden, was nicht zuletzt im Restrukturierungsfall vorteilhaft ist.
Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die auch in der Krise transparent und strategisch kommunizieren, langfristig kreditfähig bleiben. Investoren haben ein gutes Gedächtnis, und wer sich im Krisenfall professionell, offen und lösungsorientiert verhält, kann auch in schwierigen Zeiten Unterstützung finden.
Regelmäßige Anleihegläubiger-Calls, persönliche Gespräche mit institutionellen Investoren und eine klare Kommunikation gegenüber den Finanzmedien tragen dazu bei, Verständnis für die Situation zu schaffen und Vertrauen zurückzugewinnen.
Ein Beispiel für eine kontinuierliche und transparente Investor Relations liefert das mittelständische Familienunternehmen SANHA GmbH & Co. KG, das seine Anleihe 2013/26 – nach zwei Restrukturierungen u.a. in der Corona-Krise – zuletzt erfolgreich durch die neue Anleihe 2024/29 abgelöst und seine Finanzierungsstruktur diversifiziert hat. Hier hat sich die jahrelange, über die Pflichtanforderungen hinausgehende Kommunikation u.a. mit quartalsweisen Updates zur Geschäftsentwicklung, bezahlt gemacht. Das zeigte sich bei der jüngsten Emission auch in der hohen Umtauschquote der bestehenden Anleihegläubiger.
Ein weiteres Beispiel ist das Immobilienunternehmen Noratis AG, das seine Anleihe im vergangenen Jahr in einem krisengeprägten Immobilienumfeld erfolgreich verlängert und damit die Voraussetzung für eine spätere Kapitalerhöhung durch den damaligen Großaktionär geschaffen hat.
Eine strukturierte Anleihegläubigeridentifikation, deren gezielte Ansprache sowie der kontinuierliche Austausch ermöglichten die Restrukturierung – und sicherten so die weitergehende Finanzierung und den Fortbestand des Unternehmens in einem herausfordernden Marktumfeld.
Letztlich zeigen diese Beispiele: Transparenz zahlt sich aus. Unternehmen, die sich frühzeitig und professionell um ihre Investoren kümmern, haben nicht nur in der Krise bessere Erfolgsaussichten – sie legen auch den Grundstein für eine nachhaltige Finanzierung und eine stabile und loyale Investorenbasis.
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