Dividendentitel sollten sorgfältig ausgewählt werden, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen. Mit sechs Mythen muss aufgeräumt werden. Von Benjardin Gärtner*
Die Dividendensaison im deutschen Leitindex DAX startet. Schon am 13.2. stimmen die Aktionäre auf der Hauptversammlung von Schwergewicht Siemens über wichtige Themen wie etwa Dividendenzahlungen ab. Nach und nach folgen die weiteren 39 Unternehmen des DAX40. Zeit, sich Gedanken über eine dividendenorientierte Anlagestrategie zu machen.
Angesichts wieder sinkender Leitzinsen kann es für Anleger interessant sein, in Aktien mit hohen Dividendenrenditen zu investieren. Doch so attraktiv eine hohe Rendite ist, blind loszukaufen empfiehlt sich nicht. Erst sollten Anleger sich einiger Mythen über Dividendenperlen bewusst werden.
Mythos 1: Dividendentitel bieten Ertrag bei weniger Risiko
Mythos 2: Unternehmen mit hohen Dividenden sind ertragsstark
Mythos 3: Anleiherenditen toppen Dividendenrenditen
Mythos 4: Dividenden sind schnell verdientes Geld
Mythos 5: Die Sektorauswahl ist bei Aktien mit hohen Ausschüttungen zweitrangig
Mythos 6: Dividenden steigen kontinuierlich
Mythos 1: Dividendentitel bieten Ertrag bei weniger Risiko
Eine verbreitete Vorstellung ist, dass Unternehmen mit hohen Ausschüttungen oft reife und wenig zyklische Geschäftsmodelle haben. Damit verbunden ist die Erwartung, eine Dividendenstrategie sei weniger schwankungsanfällig als etwa die Anlage in Wachstumstitel. Dem ist nicht so. Das Chance-Risiko-Profil einer Dividendenstrategie ist verglichen mit Wachstumsaktien nicht vorteilhafter. Das zeigt die so genannte Sharpe Ratio.
Diese Kennzahl misst, wie stark ein Anleger für das Eingehen von Risiken belohnt wird. Je höher sie ist, desto eher werden eingegangene Risiken „belohnt“. In den letzten sechs Jahren lag die Sharpe Ratio des MSCI Europe High Dividend Yield-Index etwas unter 0,8, während sie für den MSCI Europe Growth Index etwas darüber lag. Auch über einen längeren Zeitraum ab 2007 – also noch vor der Finanzkrise 2008/09 – liegt Growth leicht vorn. Das gleiche Ergebnis zeigt sich bei einem Blick auf US-Werte. […]
Mythos 2: Unternehmen mit hoher Dividende sind ertragsstark
[…] Vorsichtig sollten Dividendenjäger aktuell bei Automobilwerten sein, die hohe Ausschüttungen bieten, obwohl ihre Geschäftsmodelle stark unter Druck stehen.Ein warnendes Beispiel sind der Telekommunikations- und der Versorgersektor. Zwar bieten beide Branchen heute wieder interessante und vergleichsweise risikoarme Ausschüttungen. Doch als Folge langfristiger Veränderungen ihres Geschäftsumfelds haben diese Sektoren an der Börse vor bald zwei Dekaden erhebliche Kursverluste eingefahren, bis sie sich stabilisieren konnten. […]
Mythos 3: Anleiherenditen toppen Dividendenrenditen
[…] Das attraktive Renditepotenzial zeigt sich auch auf Indexebene, gerade in Europa, wo die Bewertungen von dividendenstarken Aktien vergleichsweise niedrig sind. Der MSCI Europe High Dividend-Index rentiert auf Basis der Schätzungen für das laufende Jahr etwa 5,2% und übertrifft damit die Rendite von rund 3,3% bei Unternehmensanleihen mit Investment Grade.Mythos 4: Dividenden sind schnell verdientes Geld
Dass Dividenden einen bedeutenden Teil der Gesamtrendite etwa im DAX-Index ausmachen, steht außer Frage – werden doch in die Kursentwicklung automatisch Dividenden einberechnet. Für dividendenstarke Papiere spielt die Ausschüttung als Komponente der Gesamtrendite eine wesentliche Rolle. […] Die Papiere entfalten ihre Vorteile eher über einen längeren Anlagehorizont, da der größere Performancebeitrag aus Dividenden und weniger aus Kursgewinnen kommt. Es ist Geduld gefragt.
Mythos 5: Die Sektorauswahl ist bei Aktien mit hohen Ausschüttungen zweitrangig
Wer diesen Mythos glaubt, dem könnte viel Ertrag entgehen. Wegen der längerfristigen Ausrichtung einer Dividendenstrategie ist es ratsam, die fundamentalen Entwicklungen auf Sektorebene genau im Blick zu behalten. Denn es haben sich in den vergangenen Jahren Verschiebungen zwischen dividendenstarken Sektoren ergeben. […]
Mythos 6: Dividenden steigen kontinuierlich
Selbst bilanzstarke Unternehmen können ab und zu gezwungen sein, ihre Ausschüttungen zu senken. In der Marktbreite gingen während der Finanzkrise der Jahre 2008/09 oder während der Coronakrise ab 2019 die Dividendensummen zurück. Für die anstehende Dividendensaison auf Basis der Bilanzen des Jahres 2024 ist das Bild durchwachsen. […]
Fazit
Nicht nur die Dividende zählt. Ob eine Dividendenstrategie die richtige Wahl ist, hängt vom Ziel des Anlegers ab. Dividendentitel sollten sorgfältig ausgewählt werden, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen. Denn das Mehr an verlässlichen Gewinnbeteiligungen in Form von Dividenden erkaufen sich Anleger mit einem geringeren Kurspotenzial. Ihre volle Kraft entfaltet eine Dividendenstrategie daher erst über einen längeren Zeitraum. Für Dividendenjäger sind Sektoren interessant, die Aussicht auf Stabilität bringen. Dazu zählen derzeit Versicherer und Pharmakonzerne sowie günstig bewertete, werthaltige Branchen wie Banken.
*) Benjardin Gärtner ist Leiter Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment
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