Anleihegläubigerversammlungen (AGV) unterliegen zum Teil strengen formalen Anforderungen. Dabei stellen sich aus Sicht der Anleihegläubiger häufig Fragen zum Ablauf und zu den Formalien, die Anleihegläubiger im Vorfeld einer AGV zu beachten haben. Der nachfolgende Beitrag liefert einen Überblick über diverse Formalitäten im Zusammenhang mit der AGV und gibt Hinweise aus der Praxis. Die Law Corner von Dr. Tobias Moser, Partner, und Fabian Wirths, Associate, DMR Rechtsanwälte Moser Degenhart Ressmann PartG mbB, München
Wie kann ich meine Stimmrechte ausüben?
Die Art und Weise der Stimmabgabe unterscheidet sich je nach Modalität der AGV. Anleihegläubiger fassen ihre Beschlüsse entweder in einer Gläubigerversammlung in Präsenz oder im Wege einer Abstimmung ohne Versammlung (§ 5 Abs. 6 SchVG):
(1) Bei einer Präsenzgläubigerversammlung nehmen die Anleihegläubiger oder ihre Vertreter persönlich an der Abstimmung teil und geben ihre Stimme während der AGV nach dem festgelegten Verfahren ab.
(2) Bei einer Abstimmung ohne Versammlung erfolgt die Stimmabgabe ausschließlich per Post, Telefax oder E-Mail. In der sog. Aufforderung zur Stimmabgabe (als das Pendant zur Einladung zur Präsenzversammlung) ist der Zeitraum, innerhalb dessen Anleihegläubiger ihre Stimme abgeben können, konkret angegeben. Dieser Abstimmungszeitraum beträgt mindestens 72 Stunden (§ 18 Abs. 3 SchVG). Anleihegläubiger können ihre Stimme ausschließlich innerhalb dieses Abstimmungszeitraums, zusammen mit den erforderlichen Nachweisen und Unterlagen (dazu sogleich), abgeben. Zu spät aber auch zu früh abgegebene Stimmen sind unwirksam und werden nicht gezählt.
Vertretung durch Bevollmächtigte und Stimmrechtsvertreter
Jeder Anleihegläubiger kann sich bei der Stimmabgabe durch einen Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten lassen (§ 14 SchVG). Dies muss (außerhalb der Insolvenz) nicht zwingend ein Rechtsanwalt sein. Die Vollmacht und etwaige Weisungen an den Vertreter bedürfen der Textform im Sinne von § 126 b BGB. Tritt ein bevollmächtigter Vertreter auf, ist die Vollmacht Teil der Nachweisunterlagen, die vorgelegt werden müssen.
Außerdem benennen Emittenten sog. Stimmrechtsvertreter, denen Anleihegläubiger ebenfalls Vollmacht mit Weisung zur Abstimmung erteilen können. Im Gegensatz zum bevollmächtigten Vertreter ist die Tätigkeit des Stimmrechtsvertreters jedoch auf die bloße Stimmabgabe beschränkt. Das heißt, der Stimmrechtsvertreter benötigt stets eine konkrete Weisung, wie er abstimmen soll. Er selbst hat kein Ermessen und kann auch keine Anträge stellen, Fragen stellen oder sonstige Handlungen für den Anleihegläubiger vornehmen. Insbesondere wenn sich die Tagesordnungspunkte einer AGV kurzfristig ändern und daher keine aktualisierten Weisungen eingeholt werden können, gehen die Stimmen des Stimmrechtsvertreters häufig ins Leere.
Daher empfiehlt es sich für Gläubiger, eher Vollmachten an Anwälte oder Anlegervereinigungen auszugeben, die eine Vertretung ebenfalls meist kostenfrei erledigen. Emittenten stellen häufig Formulare für eine Bevollmächtigung zur Verfügung. Meist sind eigene Vollmachten der Rechtsanwälte vorzuziehen, da diese auch für eventuelle zweite Versammlungen gelten, was bei den Vorlagen der Emittenten häufig nicht der Fall ist.
Anmeldung zur Gläubigerversammlung
Eine vorherige Anmeldung zur Gläubigerversammlung ist nur dann erforderlich, wenn die Anleihebedingungen dies ausdrücklich vorsehen. Dennoch bitten die meisten Emittenten um eine Anmeldung im Vorfeld, was häufig strategische Gründe hat. Es ist daher zu empfehlen, das Anmeldeerfordernis in den Anleihebedingungen nachzuvollziehen und im Rahmen einer Anmeldung tatsächlich nur den Namen des Gläubigers mitzuteilen. Für die Anmeldung reicht die Person des Anleihegläubigers und sein Wunsch teilzunehmen – ohne Angabe der Nominale oder weiterer Nachweise.
Aus diesem Grund sind auch die Anmeldeformulare der Emittenten nicht zu empfehlen, da sie meist zu viele Informationen abfragen, die der Gläubiger dem Emittenten in dieser frühen Phase nicht geben muss und sollte. Die Anmeldung ist formfrei, am besten per E-Mail zu vollziehen. Eine Vertretung bei der Anmeldung ist ebenfalls möglich, dann ist zusätzlich die Vollmacht vorzulegen.
Besonderer Nachweis mit Sperrvermerk
Unabhängig davon, ob die AGV als Präsenzveranstaltung oder als Abstimmung ohne Versammlung durchgeführt wird, müssen Anleihegläubiger ihre Teilnahmeberechtigung nachweisen. Neben einer Vollmacht (im Falle der Vertretung) ist insbesondere ein sog. „Besonderer Nachweis mit Sperrvermerk“ erforderlich. Streng genommen handelt es sich dabei um zwei separate Aussagen in einem Dokument:
(1) Der besondere Nachweis beinhaltet personenbezogene Angaben (Name, Anschrift des Anleihegläubigers) und gibt den Nennwert der Schuldverschreibungen an, die dem Depot des Anleihegläubigers gutgeschrieben sind.
(2) Der Sperrvermerk ist ein Vermerk, wonach die vom Anleihegläubiger gehaltenen Schuldverschreibungen vom Tag der Ausstellung des Vermerks bis zum Ende der AGV beim depotführenden Institut gesperrt gehalten werden. Hintergrund dieser Sperre ist die Verhinderung von (kurzfristigen) Übertragungen von Anleihen während der Abstimmungsfrist, um Mehrfachabstimmungen zu vermeiden.
Der Besondere Nachweis mit Sperrvermerk muss stets „zeitlich fixiert“ sein, d.h. den maßgeblichen Abstimmungszeitraum bzw. das Datum der Gläubigerversammlung konkret angeben. Ferner ist zu beachten, dass der Anleiheinhaber mit dem Unterzeichner der Vollmacht übereinstimmen muss bzw. die Vollmachtskette in Sonderfällen (Eltern/Kind, Vormund/Mündel, Geschäftsführer/Unternehmen oder Vermögensverwalter/Kunden) lückenlos nachgewiesen wird. Andernfalls kann die Stimmabgabe bei Unstimmigkeiten der Angaben ungültig sein. In komplexeren Fällen, in denen der Anleihegläubiger nicht derjenige ist, der die Vollmacht ausstellt bzw. auftritt, empfiehlt sich die Abklärung bei einem Rechtsanwalt oder alternativ die Nachfrage beim Abstimmungsleiter.
Für jede AGV ist ein eigener Besonderer Nachweis mit Sperrvermerk zu beschaffen. Der Besondere Nachweis mit Sperrvermerk muss am Tag der Versammlung bzw. spätestens zum Ablauf des Abstimmungszeitraums vorgelegt werden. Davor oder danach genügen nicht.
Auch für den Besonderen Nachweis mit Sperrvermerk stellen die Emittenten in der Regel entsprechende Vordrucke zur Verfügung. Um mögliche Fehlerquellen zu vermeiden, sollte der Vordruck unverändert verwendet werden. Denn etwaige Fehler gehen in diesem Fall zu Lasten des Emittenten.
Die Praxis zeigt, dass die rechtzeitige Organisation des Besonderen Nachweises mit Sperrvermerk häufig den „Flaschenhals“ darstellt. Nicht zuletzt deshalb, weil Anleihegläubiger hierbei auf das schnelle Handeln ihrer Depotbank angewiesen sind und viele Banken hier sehr unprofessionell und langsam agieren.
Anleihegläubiger sollten sich daher möglichst frühzeitig und am besten unmittelbar nach Bekanntgabe des Termins einer AGV mit ihrer Depotbank in Verbindung setzen. Manchmal hilft die Einschaltung eines Beraters und die bankinterne Eskalierung zur rechtzeitigen Ausstellung eines Sperrvermerks.