Lange Zeit galt, dass Kryptowerte zur Diversifikation eines Portfolios beitragen. Jedoch: Dem war und ist nicht so. Historisch hat der Bitcoin keine stabile Korrelationsbeziehung zu anderen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Gold oder Immobilien. Vielmehr ist die Korrelation sehr volatil. In der Vergangenheit gab es aber bereits immer wieder eine hohe Korrelation mit Technologieaktien über größere Zeiträume. Diese Tendenz verstärkt sich zunehmend. Von Hartmut Giesen, Generalbevollmächtigter und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung, Sutor Bank
Wie Daten zeigen, erreichte die 30-Tage-Korrelation zwischen Bitcoin und dem Nasdaq Composite im Juni 2024 einen Höchststand von 0,9, bevor sie im Juli auf -0,9 sank – wobei der Wert 1 eine perfekte Korrelation indiziert. Seit Anfang Oktober liegt er mit zwischen 0,7 und 0,9 wieder nahe 1. Solche Schwankungen sind auch über einen längeren Zeitraum typisch, wie eine Studie von Coinbureau zeigt. Demnach bewegte sich die Korrelation über die letzten fünf Jahre hinweg zwischen -0,3 und 0,2. Interessant dabei ist, dass der stärker technologieorientierte Nasdaq Technology 100 eine höhere Korrelation zu Bitcoin aufweist als der breitere Nasdaq Composite.
Diese Zahlen belegen, dass Bitcoin und Technologieaktien kurzfristig stärker als langfristig korrelieren. Zudem zeigt sich: Je größer die Ausrichtung des Vergleichsindex auf Technologie ist, desto stärker ist die Korrelation. Trotzdem wechseln hohe Korrelationswerte vor allem in der kurzfristigen Betrachtung immer wieder mit negativen Korrelationswerten. In der Regel werden Bitcoins von ähnlichen makroökonomischen Kräften beeinflusst wie Technologieaktien – allerdings nur, solange es keine kryptointernen Ereignisse gibt, die die Preise beeinflussen.
Seit Dezember 2023 gab es zunächst eine durchgehend hohe Korrelation, unterbrochen von kurzfristigen Ausreißern nach unten, wie etwa im Februar 2024, als regulatorische und technologische Ereignisse wie die Zulassung von Krypto-ETFs oder das Halving beim Bitcoin den Kryptomarkt beeinflussten. Hohe Marktliquidität entstand etwa durch den Verkauf von beschlagnahmten Vermögenswerten durch deutsche Behörden und die Freigabe von Assets, die im Rahmen der Insolvenz der Kryptobörse Mt. Gox eingefroren wurden. Auch dadurch nahm die Korrelation ab. Mittlerweile ist die Korrelation wieder auf ein moderates Maß zurückgekehrt.
Korrelation Bitcoin und Tech-Aktien: häufig erratisch, Phasen mit hoher Korrelation nehmen zu
Die Korrelation zwischen Bitcoin und Tech-Aktien ist also einerseits erratisch, gleichzeitig dehnen sich die Zeiten hoher Korrelation aus und werden nur von kürzeren Phasen mit geringer Korrelation unterbrochen. Bitcoin und die damit hoch korrelierten anderen Kryptowerte fallen daher als eigenständiges Diversifikationselement beziehungsweise systematischer Hedge, der anderes als Technologieaktien leistet, aus. Eher lässt sich Bitcoin als spekulativer Technologiewert anstatt eine unabhängige Anlageklasse kategorisieren.
Die Coinbureau-Studie nennt vier unabhängige, kryptointerne Faktoren, die die Korrelation von Bitcoin und Technologieaktien beeinflussen:
1. Sentiment und Spekulation
Das Marktgeschehen wird stark durch Sentiment und spekulatives Verhalten bestimmt. Nachrichten und Social-Media-Rauschen können die Stimmung entweder in Richtung kurzfristiger Spekulation oder langfristigem Halten lenken. Besonders in Zeiten starker Preisausschläge zeigt sich die bedeutende Rolle von Spekulation. Dies führt zu einer extremen Volatilität, die gleichzeitig auch die Korrelation vermindert.
2. Technologische Entwicklung und Adoption
Bitcoin und andere Kryptowährungen basieren auf innovativen Technologien. Der Durchbruch einer sogenannten „Killerapplikation“, die die breite Masse von der Nutzung der Blockchain überzeugt, steht noch aus. Projekte, die bereits weit über Bitcoin hinausgehen und in den Bereichen Künstliche Intelligenz, dezentrale Infrastrukturen oder digitale Identität operieren, könnten in Zukunft eine größere Rolle spielen – und auch den Bitcoin-Kurs beeinflussen. Aus diesem Grund sollten Anleger bei Nicht-Bitcoin-Kryptowerten eher auf Fundamentalanalysen der zugrunde liegenden Technologien achten.
3. Kryptoregulierung
Die Regulierung ist einer der stärksten makroökonomisch unabhängigen Einflüsse auf den Kryptomarkt. Besonders in den USA haben regulatorische Entscheidungen der SEC, wie die Einstufung von Kryptowährungen als Wertpapiere oder die Diskussion um die Zulassung von Krypto-ETFs, direkte Auswirkungen auf die Preisentwicklung. Auch in der Zukunft könnten Regulierungsentscheidungen den Kryptomarkt erheblich beeinflussen.
4. Marktliquidität und institutionelle Investoren
Entwicklungen wie der plötzliche Zufluss von Liquidität durch den Verkauf von Vermögenswerten im Zusammenhang mit Mt. Gox oder die wachsende Rolle institutioneller Investoren im Markt können massive Auswirkungen auf die Kurse haben. Insbesondere institutionelle Akteure, die sich zunehmend in Kryptowährungen engagieren, tragen dazu bei, dass Bitcoin und Co. sich wie traditionelle Technologieaktien verhalten.
Fazit
Bitcoin und andere Kryptowährungen sollten zunehmend als Teil der Technologiebranche betrachtet werden. Die Zeiten, in denen Bitcoin als unabhängiges Asset zur Diversifikation diente, scheinen vorbei. Anleger sollten sich dieser veränderten Dynamik bewusst sein und ihre Portfolios entsprechend anpassen. Vielmehr bewegen sich Bitcoin und Co. in einem immer engeren Zusammenhang mit Technologieaktien und unterliegen den gleichen makroökonomischen Kräften – es sei denn, kryptospezifische Ereignisse ändern das Bild kurzfristig.
Auch der Sprung des Bitcoin über die 100.000-Dollar-Marke hat das Bild bisher nicht grundsätzlich geändert, die Korrelation liegt weiterhin hoch (0,75 am 6.12.2024). Aber es bleibt spannend zu beobachten, ob die Änderung der politisch-aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Kryptos in den USA nach der Wahl sowie ein möglicher Aufbau einer staatlichen US-Bitcoin-Reserve die Preisdynamik doch von den Preisentwicklungen der Technologieaktien mittelfristig entkoppeln kann. Zumindest lassen sich zurzeit Treiber ausmachen, die sich nur auf Kryptos, nicht auf Technologietitel auswirken werden.
*) Hartmut Giesen realisiert seit 2012 für die Sutor Bank digitale Geschäftsmodelle. Zu seinen Aufgaben gehören das Business Development Fintech, digitale Partner und Krypto/Blockchain, der Auf- und Ausbau der Sutor Banking-Plattform und die Betreuung interner Digitalisierungsprojekte.