Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit das Trendthema der Geldanlage. Udo Kersting, CSO und Geschäftsführer des Technologie- und Datenspezialisten Infront, ordnet ein, welche Potenziale in der Branche gesehen werden. Für das klassische Assetmanagement ist die Technologie hochspannend, erhöht aber den Transformationsdruck. Generell stehen die Weichen im Finanzsektor auf Konsolidierung, da neben der Technologieoffensive auch die Vielzahl von regulatorischen Maßnahmen die strategische Planung erschwert. Werden wir alsbald weniger Finanzinstitute in Deutschland sehen?
BondGuide: Herr Kersting, in der deutschen Finanzlandschaft stehen die Weichen auf Konsolidierung. Insbesondere im Bereich der Vermögensverwaltung ist der Druck hoch. Welche regulatorischen und technologischen Trends sind hier die Treiber?
Kersting: In der Tat, der Wettlauf bei Technologien und Regulatorik macht es gerade für kleinere Spieler immer schwerer. Regulatorisch sind vor allem MiFID II, die nachhaltigkeitsbezogenen Vorgaben wie die SFDR und die Taxonomie-Verordnung sowie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von Bedeutung. Diese Regelwerke verlangen ein hohes Maß an Transparenz, Planung und Compliance. Das aktuelle Großprojekt DORA, Regelwerk für Anforderungen an die IT-Resilienz und Sicherheit, erfordert Investitionen aber vor allem auch die Anwesenheit von Cyberspezialisten in den Unternehmen oder die Auslagerung an Serviceprovider. Das bringt kleine Spieler unter Banken oder Vermögensverwalter an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Es wird zunehmend zur Herausforderung für kleinere Häuser, hier an Personal oder Services zu kommen und nachhaltig zu wirtschaften.
Bei der Vermögensverwaltung sehen wir technologisch massive Fortschritte bei automatisierten Tools entlang der Wertschöpfung vom Onboarding bis zum regelmäßigen Reporting, die Portfoliomanagement und Kundenberatung effizienter machen und diese gänzlich neu interpretieren. Gleichzeitig beginnt die Künstliche Intelligenz (KI) eine zentrale Rolle zu spielen, insbesondere bei der Datenanalyse zur Entwicklung personalisierter Anlagestrategien. Technologien wie Blockchain und Distributed Ledger Technology (DLT) schaffen mehr Effizienz und Transparenz bei Transaktionen, sowie den Zugang zu neuen Assetklassen, während Cloud-Computing flexible und skalierbare Lösungen bietet, die essenziell für den Wettbewerb sind. Diese Trends zusammen erhöhen die Möglichkeiten, aber auch den Druck auf Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und sich zukunftssicher aufzustellen.
„Es wird zunehmend zur Herausforderung für kleinere Häuser nachhaltig zu wirtschaften.“
BondGuide: Inwiefern beeinflussen die aktuellen regulatorischen Anforderungen die Geschäftsmodelle von Portfoliomanagement-Unternehmen? Gibt es spezifische Vorschriften, die besonders herausfordernd sind?
Kersting: Tatsächlich setzt derzeit besonders die Melange an Themen den Anbietern zu; seit mehr als einer Dekade prasselt eine wahre Flut an Vorgaben über die Branche herein. Die regulatorischen Anforderungen beeinflussen die Geschäftsmodelle erheblich, da sie häufig mit erheblichen Investitionen in Technologie, Infrastruktur und Prozesse verbunden sind. MiFID II beispielsweise erforderte eine detaillierte Berichterstattung und umfassende Offenlegung von Kosten und Dienstleistungen. Mit der DORA ist nun eine neue Großbaustelle aufgetreten. Das Management all dieser Vorgaben treibt die Betriebskosten in die Höhe und beschleunigt die Konsolidierung, da viele kleinere Anbieter die finanziellen und operativen Anforderungen nur schwer alleine stemmen können.
„Mit der DORA ist nun eine neue Großbaustelle aufgetreten. Das Management all dieser Vorgaben treibt die Betriebskosten in die Höhe und beschleunigt die Konsolidierung“
BondGuide: Welche Rolle spielt die Technologie bei der Bewältigung von Herausforderungen im Portfoliomanagement? Welche Technologien halten Sie für unverzichtbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Kersting: Technologie ist in meinen Augen der zentrale Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen rund um das Portfoliomanagement. Die Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen und die Verwendung von cloudbasierten Anwendungen unterstützt dabei, regulatorisch stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. In den nächsten Jahren werden wir sicherlich sehen, dass Lösungen, die auf KI und maschinellem Lernen basieren, eine größere Rolle in der Geldanlage spielen. Diese sind in der Lage, tiefgreifende Analysen und Portfoliooptimierungen per Knopfdruck zu ermöglichen. Big Data wird ebenfalls immer wichtiger, da diese Tools nicht mehr nur traditionelle, sondern auch alternative Datenquellen erschließen und Echtzeitanalysen ermöglichen. Die technische Ausstattung und das technologische Know-how wird für Anleger bei der Wahl ihrer Partner immer wichtiger. Wir sehen schon heute Handlungsbedarf, um sich hier wettbewerbsfähig aufzustellen.
BondGuide: Ist KI für die Vermögensverwalterbranche eher eine Chance oder doch ein Risiko?
Kersting: KI ist zweifellos eine enorme Chance für die Branche, auch wenn Risiken nicht unterschätzt werden sollten. Auf der einen Seite ermöglicht sie eine automatisierte Datenanalyse, die Optimierung von Portfolios und die Entwicklung personalisierter Anlagestrategien. Wir werden hier schon mittelfristig einen beeindruckenden Reifegrad sehen. Auch im Bereich der Kundenberatung kann KI eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise durch den Einsatz von Chatbots oder andere automatisierte Tools. Darüber hinaus verbessert sie die Risikomanagementfähigkeiten und reduziert potenzielle menschliche Fehler.
BondGuide: … also schöne neue Anlagewelt?
Kersting: Einerseits ja, andererseits bringt KI auch Herausforderungen mit sich. Die sogenannte Black-Box-Problematik, also die mangelnde Nachvollziehbarkeit von KI-Entscheidungen, kann das Vertrauen beeinträchtigen. Technische Fehler oder Fehlfunktionen stellen ebenfalls ein Risiko dar, ebenso wie der potenzielle Verlust an menschlicher Expertise. Es wird spannend zu sehen, wie viele KI-Modelle sich am Anlagemarkt durchsetzen, wo werden Differenzierungsmöglichkeiten liegen? Eins scheint aber klar: Rund um die KI wird sich die Finanzlandschaft auf die nächsten umfassenden Regulatorikpakete einstellen müssen; wir sehen hier auch ethische Fragestellungen und neue Herausforderungen, beispielsweise in Bezug auf Haftung und Transparenz.
„Auch im Bereich der Kundenberatung kann KI eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise durch den Einsatz von Chatbots oder andere automatisierte Tools. Darüber hinaus verbessert sie die Risikomanagementfähigkeiten und reduziert potenzielle menschliche Fehler.“
BondGuide: Wie bewerten Sie die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz und Automatisierung auf die Branche? Können Sie Beispiele nennen, wie diese Technologien bereits eingesetzt werden?
Kersting: Die Auswirkungen von KI und Automatisierung auf die Vermögensverwaltungsbranche sind immens. Wir sehen eine erhebliche Effizienzsteigerung, da Prozesse wie Datenanalyse, Reporting und Compliance schon heute weitgehend automatisiert werden können. KI wird nochmal einen neuen Schub bringen: Das verbessert nicht nur die Genauigkeit, sondern spart auch Zeit und Kosten. Ein Beispiel ist der Einsatz von Robo-Advisors, die auf Basis von Algorithmen Portfoliovorschläge erstellen und damit eine personalisierte Anlagestrategie bieten. Im Risikomanagement hilft KI, Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Auch der Kundenservice profitiert von diesen Technologien, etwa durch Chatbots, die rund um die Uhr für Anfragen verfügbar sind.
„Wir sehen eine erhebliche Effizienzsteigerung, da Prozesse wie Datenanalyse, Reporting und Compliance schon heute weitgehend automatisiert werden können. KI wird nochmal einen neuen Schub bringen: Das verbessert nicht nur die Genauigkeit, sondern spart auch Zeit und Kosten.“
BondGuide: Inwiefern erhöht die fortschreitende Digitalisierung den Druck auf Portfoliomanagement-Unternehmen, ihre Dienstleistungen anzupassen oder zu erweitern?
Kersting: Die Digitalisierung erhöht den Druck auf die Unternehmen erheblich. Kunden erwarten heute personalisierte Dienstleistungen, die durch digitale Tools ermöglicht werden. Auch die 24/7-Verfügbarkeit von digitalen Interaktionen wird immer mehr zum Standard, sodass Unternehmen in entsprechende Technologien investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Darüber hinaus ermöglicht die Automatisierung erhebliche Effizienzgewinne, insbesondere bei repetitiven Aufgaben wie dem Reporting oder der Portfolioüberwachung. Gleichzeitig wird die Einhaltung von Datenschutz- und Sicherheitsvorgaben immer wichtiger, was zusätzliche Investitionen in Compliance und IT-Sicherheit erfordert. Neue Tools entlasten hier den einzelnen Vermögensverwalter, sodass sich der einzelne (menschliche) Mitarbeiter noch stärker auf die Anforderungen seiner Kunden konzentrieren kann.
„Auch die 24/7-Verfügbarkeit von digitalen Interaktionen wird immer mehr zum Standard, sodass Unternehmen in entsprechende Technologien investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
BondGuide: Wie kann Infront bei der Konsolidierung unterstützen? Welche Strategien könnten Unternehmen verfolgen, um sich erfolgreich zu positionieren?
Kersting: Wir können Unternehmen durch eine Vielzahl von Maßnahmen unterstützen, bei technologischen Herausforderungen langfristig zu den Gewinnern zu zählen. Dazu gehören etwa die Zentralisierung und Integration von Daten, was eine effiziente Analyse und Nutzung ermöglicht. Automatisierungslösungen helfen, Reporting, Portfolioanalysen und das Risikomanagement zu optimieren. Zudem bieten wir Zugang zu Marktanalysen und Business Intelligence Tools, die Unternehmen eine fundierte Entscheidungsbasis bieten. Auch technologische Innovationen, etwa durch Cloud-basierte Plattformen, können Skalierung und Sicherheit fördern. Partnerschaften und Akquisitionen sind weitere Strategien, mit denen Unternehmen ihre Marktposition stärken und sich im Wettbewerb behaupten können. Letztlich liegt der Schlüssel in der Optimierung der Kundenerfahrung durch digitale Plattformen, die Transparenz und Effizienz vereinen.
BondGuide: Herr Kersting, vielen Dank für die hochspannenden technologischen Einblicke in das Assetmanagement von morgen.
Das Interview führte Michael Fuchs.
*) Udo Kersting ist CSO und Geschäftsführer sowie Zukunftsarchitekt im Wealth Management bei Infront. In seiner Rolle ist er eine treibende Kraft für die Zukunft des Wealth Managements. Mit seinem strategischen Weitblick und umfassender Erfahrung gestaltet er entscheidend die Entwicklung innovativer Lösungen.