Sportswash! Was haben Ronaldo, Benzema und Kanté gemeinsam?

In Zeiten weltpolitischer Spannungen erweist sich ein gut gepflegtes Image nicht mehr nur für Unternehmen als essenziell, sondern auch für Nationen: via Sportswash. Robert Klipp*, Geschäftsführer der My Best Concept GmbH, beurteilt die Bemühungen des Wüstenstaats Saudi-Arabien in dieser Hinsicht und blickt dabei vor allem auf die Instrumentalisierung einer Sportart – aus Sicht eines Marketers.

Was haben Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und N’Golo Kanté gemeinsam? Vor ein paar Monaten hätte man wahrscheinlich noch geantwortet: Sie gehören zu den besten Fußballern der Welt. Nun verbindet die Kicker zusätzlich der Fakt, dass sie ab der kommenden Saison allesamt in der Saudi Professional League mit- oder gegeneinander spielen werden.

Als Grund für diese Abwanderung der Fußball-Elite lässt sich wohl weniger die sportliche Perspektive oder die enorme Lebensqualität im neuen Arbeitgeberland ausmachen, sondern schlichtweg Geld – und zwar jede Menge Geld. Saudi-Arabien befindet sich auf Shopping-Tour der besonderen Art und kauft sich, ohne jegliche Kosten zu scheuen, durch die Sportwelt.

Dabei präsentieren sich die Motive der Regierung für dieses extreme Maß an Investitionen so offensichtlich wie transparent: Es handelt sich schlichtweg um eine Marketingstrategie. Doch kann eine derart aggressive Herangehensweise den gewünschten Effekt bringen und Saudi-Arabiens Image in der Weltöffentlichkeit aufpolieren?

Keine halben Sachen

Verantwortlichen des Golfstaates lässt sich definitiv nicht vorwerfen, dass sie nicht ausnahmslos alles versuchen würden. Denn neben der Aufstockung der saudischen Liga haben die Scheichs sich mit Newcastle United auch ihren eigenen Contender in der englischen Premier League angeschafft, der aufgrund der finanziellen Mittel über kurz oder lang zu einer echten Macht anwachsen kann.

Auch außerhalb des Fußballs werden bereits andere Einnahme- und Prestigequellen in der Sportwelt erschlossen: Die internationale Golfgemeinschaft befindet sich bereits fest in saudischer Hand, E-Sports-Festivals etablieren sich als Dauergast in der Wüste und sogar die Olympischen Winterspiele sollen 2029 im Golfstaat stattfinden – selbstverständlich auf Kunstschnee. Eine All-in-Strategie mit dem klaren Ziel: politischer Einfluss durch Imagepflege.

Großevents und Erfolge auf sportlicher Bühne rücken Saudi-Arabien in der Weltöffentlichkeit in ein positives Licht und ermöglichen mehr Teilhabe am internationalen Geschehen. Wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit vom Öl steht bis 2030 ganz oben auf der Agenda. Prominente Namen garantieren eben nicht nur Siege in Wettbewerben, sondern bringen auch ihre ganz persönliche Marketingmaschinerie mit, die sich nutzen lässt.

Emotionen gewinnen

Dass es sich bei diesen Aktionen um Sportswashing im großen Stil handelt, sollte niemanden überraschen. Fragwürdige humanitäre Zustände lassen sich weder leugnen noch kleinreden – doch lohnt sich auch ein Blick auf die Erfolgschancen der Marketingstrategie. Denn Saudi-Arabien tritt nicht nur in Konkurrenz mit seinem eigenen Image, sondern auch mit anderen Regimen aus der Region.

Schon längst ist bekannt, dass sich der Sport als perfekte Werbeplattform eignet. Menschen verbinden positive Erfahrungen mit ihrem Lieblingsverein oder Erfolgen, die ihr Heimatland bei einem großen Turnier feiern kann. Hier schaltet sich der rationale Teil des Gehirns aus und Emotionen übernehmen das Ruder, was sich als perfekter Zustand für das Marketing eines jeden Produkts erweist. Im Fall von Newcastle United feierten die Fans die Übernahme des Vereins durch den saudischen Staatsfonds fast uneingeschränkt.

Jemand ist gekommen, um das unscheinbare Team aus Nordengland mit viel Geld wieder an die Spitze zu führen – die Intentionen der Investoren bleiben dabei zweitrangig. Ebenso verhält es sich mit den Stars des Spiels. Cristiano Ronaldo ist einer der größten Fußballer aller Zeiten und noch dazu die Person mit den meisten Followern auf Instagram. Diese treue Fanbase brachte er selbstverständlich mit zu seinem neuen Club al-Nassr und schaffte damit augenblicklich Relevanz für die saudische Liga. Mit ihm assoziierte positive Gefühle färben unweigerlich ab.

Wahrhaftig gesucht

Eine Öffentlichkeit durch Emotionalisierung zu lenken gehört zum kleinen Einmaleins des Marketings und wird bereits seit Jahrzehnten angewandt – was jedoch nicht bedeutet, dass die Strategie seither an Effektivität eingebüßt hat. Doch stößt sie auch immer wieder an eine natürliche Grenze: die Glaubwürdigkeit. Mit dem Einkauf von Stars und Vereinen aus dem globalen Westen holt sich Saudi-Arabien auch den Anspruch an ein gewisses Wertesystem ins Haus, an denen sie sich im Auge der Weltöffentlichkeit immer häufiger messen lassen müssen.

In einer globalisierten Gesellschaft treten immer noch Medien als die größten Meinungsmacher auf, die immer wieder den Finger in offene Wunden wie Menschenrechtsverletzungen und die Einschränkung der Pressefreiheit legen und so das öffentliche Bild des Golfstaats in starken Kontrast zu der selbst propagierten Darstellung setzen.

Solange eine derartige Lücke zwischen Selbstdarstellung innerhalb der Marketingstrategie und der politischen Realität klafft, wird es schwer, die Akzeptanz der breiten Masse zu erlangen. Hoffnung besteht vor allem darin, dass mit der wirtschaftlichen auch eine gesellschaftliche Öffnung vonstattengeht und sich die Lebenswirklichkeit der saudischen Bevölkerung an die Werbebilder angleicht. Mit einer solchen Annäherung und weiteren Investitionen kann Saudi-Arabien durch geschicktes Marketing sowohl im sportlichen als auch im politischen Zirkus eine wichtige Rolle einnehmen.

*) Robert Klipp ist CEO und geschäftsführender Gesellschafter von My Best Concept, einer Performance-Marketing-Agentur Deutschlands; so befindet sich Robert Klipp direkt am Herzen der Branche. Derzeit beschäftigt die Agentur 60 Mitarbeiter.

Robert Klipp; Quelle: My Best Concept, Inka Englisch

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