Schon einmal von leptokurtischen Renditeverteilungen mit ihren Fat Tails gehört? Wohl nicht – trotzdem haben sie die meisten Anleger:innen sicher schon erlebt. Auch dank ETFs.
Passives Investieren setzt seinen Erfolg ungebrochen fort. Allein 2024 verzeichneten Aktien-ETFs einen globalen Nettozufluss von 1,1 Bio. EUR. So erfreulich die Entwicklung einer stärkeren Aktienkultur und breiten Partizipation an Unternehmensgewinnen auch ist, so verweisen immer mehr akademische Studien auf die „Schattenseiten“ von Exchange Traded Funds und Co. In einer aktuellen Studie beleuchtet Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei Berenberg Wealth and Asset Management, wie sich der Boom passiver Anlagen auf die Effizienz der globalen Märkte auswirkt:
Die Märkte sind seit der Finanzkrise 2008 zunehmend fragiler geworden. Denn der Boom von ETFs hat die Marktstruktur grundlegend verändert. Investoren stürzen sich heute auf eine begrenzte Anzahl an Momentum-Trades – befeuert durch Marktkapitalisierungs-gewichtete ETFs, in denen wenige, meist US-amerikanische Mega-Caps dominieren.
Kurz- bis mittelfristig können Anleger von der ETF-Begeisterung profitieren, weil die Bewertungen allein liquiditätsgetrieben immer weiter steigen. Langfristig könnte dies jedoch zu Überbewertungen und Risiken führen. Kommt es zu einem externen Schock, stehen Anleger anders als bei aktiven Strategien im Regen da. Denn dann sind sie mit einem Mangel an Liquidität konfrontiert, die sie bei einem Ausstieg am dringendsten benötigen.
Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass börsennotierte Unternehmen die undifferenzierte Nachfrage nach Aktien durch passive Flows für sich ausnutzen und Aktien bei steigenden Märkten abstoßen. Allerdings gilt das Umgekehrte in dem Ausmaß nicht: Die Unternehmen kaufen bei fallenden Märkten Aktien weit weniger. In der Folge kommt es zu einer strukturellen Verschiebung hin zu einer leptokurtischen Renditeverteilung mit sogenannten „Fat Tails“.
Solche Verteilungen haben höhere Eintrittswahrscheinlichkeiten von einerseits geringen positiven oder negativen Renditen und andererseits extrem hohen positiven oder negativen Renditen. Längere Phasen der Ruhe mit moderaten Renditen wechseln sich mit Volatilitätsschocks und extremen Renditen ab.
Solange Aktien-ETFs insgesamt weiterhin Zuflüsse verzeichnen, bleibt die Wahrscheinlichkeit von schnellen Erholungen (V-Erholungen) hoch, die von nicht-fundamentalen Zuflüssen in Aktien getrieben werden. Entsprechend dürften sich passive Momentum-Strategien weiterhin positiv entwickeln. Für Anleger könnte es zudem sinnvoll sein, Aktien zu halten, die in vielen stark passiv abgebildeten Indizes vertreten sind (hohe Index-Inklusionsrate), um von den nicht-fundamentalen Zuflüssen zu profitieren.
Ein Wendepunkt bei Zuflüssen in Aktien-ETFs könnte durch einen Anstieg der US-Arbeitslosigkeit, demografische Umschichtungen hin zu Anleihen oder eine stärkere Diversifikation von US-Altersvorsorgefonds (401K-Sparpläne) in andere Anlageklassen wie Gold, Bitcoin oder Private Equity herbeigeführt werden. Dann dürfte wieder die Stunde aktiver Strategien schlagen. Denn bleiben die liquiditätsgetriebenen Zuflüsse aus, dürften vor allem die in den Indizes stark gewichteten und oftmals hochbewerteten Aktien von Mega Caps unter Druck geraten. Flexible, aktive Strategien könnten von diesen Ineffizienzen profitieren.
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