Nicht nur Deutschland hat aktuell Probleme: In Frankreich muss PM Barnier durch eine Reform das hinterlassene Finanzchaos abräumen. Von Luca Ferramosca*
Die Aufmerksamkeit des Marktes verlagerte sich in den letzten Wochen auf die andere Seite des Atlantiks, als ein Rennen um die US-Präsidentschaft in einer zweiten Amtszeit von Präsident Trump gipfelte. Zuvor hatte der Markt monatelang wiederholt versucht, die neue Regierung des französischen Premierministers Michel Barnier und die zentristisch-konservative Minderheitskoalition zu hinterfragen und ihre Fähigkeit zu testen, das von Emmanuel Macron und seinen Ministerien hinterlassene Finanzchaos in Frankreich zu beseitigen.
Die jüngsten politischen und finanzpolitischen Schlagzeilen haben den europäischen Markt für Staatsanleihen nicht erschüttert, was darauf hindeutet, dass die Positionierung der Anleger bereits die erhebliche Negativität widerspiegelte, die in den 10jährigen französischen OATs (Obligations assimilables du Trésor oder fungible Staatsanleihen) gegenüber Bundesanleihen eingepreist war.
Barnier stellte im vergangenen Monat ein 60 Mrd. EUR schweres Finanzpaket zur Eindämmung der ausufernden Defizite vor, welches Ausgabenkürzungen in Höhe von 49 Mrd. EUR Euro und Einnahmenerhöhungen in Höhe von 20 Mrd. EUR umfasst, die größtenteils durch Steuererhöhungen für Unternehmen und Personen mit hohem Einkommen erzielt werden sollen. Die Sparmaßnahmen, die darauf abzielen, sieben Jahre unter Macron durchgesetzte wirtschaftsfreundliche Reformen rückgängig zu machen, stießen in Branchen wie der Luxus-, Verteidigungs- und Baubranche auf wenig Gegenliebe.
Das öffentliche Defizit wird in diesem Jahr voraussichtlich einen Höchststand von 6,1% des BIP erreichen, wobei bis Ende 2025 ein allmählicher Rückgang auf 5% erwartet wird. In der Zwischenzeit debattieren die Gesetzgeber noch über den Vorschlag, und die bereits gemachten Zusagen könnten vor ihrer Umsetzung noch erheblich geändert werden. Tatsächlich schloss die Partei Rassemblement National (RN) eine strategische Zustimmung zum Haushalt aus, um sich Zugeständnisse zu sichern. Infolgedessen wird Barnier seine ursprünglichen Konsolidierungspläne wahrscheinlich abschwächen, um den Weg für eine stillschweigende Unterstützung durch Stimmenthaltung seitens der RN zu ebnen.
Trotz der ‚vorübergehenden‘ Konnotation, die Barnier diesen Maßnahmen beigemessen hat, könnte der prekäre aktuelle Zustand der französischen Staatskasse in Verbindung mit relativ düsteren Wachstumsprognosen diese Maßnahmen bald zu dauerhaften Maßnahmen machen. Dies könnte die Stimmung der Anleger weiter trüben und das wirtschaftsfreundliche Klima, das während der Amtszeit Macrons geschaffen wurde, beeinträchtigen.
Die lang erwartete und gefürchtete Reaktion der Ratingagenturen entspricht genau dem Konsens des Marktes, und die daraus resultierenden Kurzschlussreaktionen wurden weitgehend abgewendet. Wie allgemein erwartet, haben Fitch und Moody’s den Ausblick Frankreichs auf negativ gesetzt und das aktuelle Rating (Aa2 bzw. AA-) bestätigt. Diese Entscheidung schafft ein höheres Maß an Vertrauen für den Großteil der an Benchmarks gebundenen Investoren und verhindert vermeintlich signifikante Kapitalflüsse, die sich aus einer Herabstufung ergeben hätten.
Wir erwarten keine Herabstufung von S&P, das die Bewertung der französischen Staatsanleihen mit AA- Ende November 2024 überprüfen wird. Sofern es nicht erneut zu kurzfristigen Bedenken hinsichtlich der verschlechterten öffentlichen Finanzen des Landes kommt, liegen die OATs bei den aktuellen Preisen am unteren Ende der Preisspanne und qualifizieren sich als Kandidaten für Carry-Positionen, sobald die mit den US-Wahlen verbundene Volatilität nachlässt. […]
Angesichts einer Reihe glaubwürdigerer Maßnahmen zur Haushaltsstraffung und ermutigender Wachstumsaussichten bleiben wir in Bezug auf das Länderrisiko Frankreichs konstruktiv und bevorzugen eine neutrale Position, bis sich der politische Lärm gelegt hat und schließlich in den Hintergrund tritt. […]
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